Interview & SmartView mit Karen Körtge

von Jennifer Rotter

Wie baue ich eine vernünftige Gruppenstunde auf? Wie versteht meine Kundin, was ich ihr vermitteln will? Und wie viel unerschütterlicher Optimismus passt in einen kleinen Dackel? Für diese Fragen ist bei KynoLogisch Karen Körtge zuständig. Sie ist 26 Stunden am Tag unterwegs, macht gerade ihren Master und ist mit unnachahmbarer Leidenschaft in der Erwachsenenbildung tätig – und macht, dass Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben Spaß am Lernen haben. Hier könnt ihr sie genauer kennenlernen.

Beginnen wir mit unserer eigenen Form des Interviews – dem SmartView! Was das ist? Auf einige unserer Fragen antwortet die oder der Interviewte mit Fotos, die von ihrem bzw. seinem Smartphone stammen. Wir machen heute von allem Möglichen Bilder – und wir finden, dass man jemanden auch so kennenlernen kann. Wir freuen uns auf Karens Foto-Antworten!

  • Selfie, bitte 🙂

  • Im Ernst jetzt!

  • Dein erster eigener Hund?

  • Liebster Teil von Theo?

  • Eure Gassi-Strecke?

  • Lieblingsbeschäftigung mit Hund?

  • Lieblingsbeschäftigung ohne Hund?

  • Dürfen Hunde ins Bett?

  • Das letzte gelesene Fachbuch?

  • Der lezte gelesene Roman?

  • Ein gelungener Feierabend?

Interview mit Karen

KynoLogisch: Karen! Wie bist Du auf den Hund gekommen? Erzähl uns etwas darüber.

Karen Körtge: Meine erste Hündin haben wir bekommen, da war ich vier, die ist gestorben, da war ich 20. Danach war ich ein halbes Jahr ohne Hund, bin ausgezogen und hab‘ angefangen zu studieren. Ich wollte mir dann einen Hund aus dem ortsansässigen Tierheim holen, habe von denen aber keinen bekommen. Scheinbar geht das hier als Studentin nicht so leicht. Also habe ich einen aus Polen geholt. So richtig nach Lehrbuch: Ebay-Kleinanzeigen, mir hat das Foto gefallen, er war sehr hübsch, ich hab‘ da angerufen und ein paar Wochen später hatte ich meinen allerersten eigenen Hund. Drei Tage später war mein Mitbewohner im Krankenhaus.

Das muss schlimm für Dich gewesen sein!

Naja. Eigentlich war es immer nur so ein Problem, weil es super nervig war und ein Riesenmanagement mit sich gebracht hat. Damit hatte ich nicht gerechnet. Aber es war nie so richtig schlimm. Es war nur ätzend. Obwohl – ein bisschen schlimm war, dass ich das Durchgangszimmer zum Balkon hatte und niemand mehr rein oder raus kam, wenn ich nicht den Hund festgehalten habe…ich dachte da aber noch, man kriegt das ganz gut in den Griff, und habe halt in der nächsten Hundeschule angerufen. Ich dachte mir: Die werden dazu schon was erzählen können.

Klingt nicht, als ob es so gelaufen ist.

Hm, mit dem Fredzl…(überlegt)…eins, zwei, drei….irgendwann war ich dann noch in Salzgitter – vier, fünf…sechs….sechs oder sieben Hundetrainer und -trainerinnen habe ich mit Fredzl bestimmt durch – ohne die Seminare mit zu zählen.

Was hat Euch letzten Endes geholfen?

Das kann ich so konkret gar nicht sagen. Es war von vielem ein bisschen. Irgendwie hat uns das Leben auch in die Hände gespielt, dass es irgendwann einfach funktioniert hat, wie es funktioniert hat. Was mir geholfen hat, war ein Training, bei dem ich ihm das erste Mal Grenzen gesetzt habe und durch einen Maulkorb die Möglichkeit hatte, ihm in seiner Aggression gegenüberzutreten und sie zu beantworten. Im Endeffekt hat mir das Gefühl geholfen, dass er nicht beißt, weil er etwas Schlimmes erlebt hat, sondern dass er beißt, weil er sich wie ein Arschloch benimmt. Und ich muss das einfach nicht beantworten oder ich kann das auch beantworten mit: Jetzt halt einfach mal Deinen Rand und benimm Dich in dem Maße, in dem Du Dich zu benehmen hast, dann kann ich Dir auch Freiheiten geben.

Hatte es etwas mit Fredzl zu tun, dass Du Hundetrainerin werden wolltest?

Ich wollte gar keine Hundetrainerin werden. Ich wollte Dinge über Hunde lernen. Also habe ich Dinge über Hunde gelernt, weil ich so viele Seminare besucht habe, und plötzlich haben mich lauter Leute angequatscht, ob ich ihnen nicht helfen könnte, weswegen ich dann einen Höhenflug hatte und ein Gewerbe angemeldet habe. Deshalb bin ich Hundetrainerin geworden: weil ich mich ein bisschen selbst überschätzt habe in dem Können, das ich zu dem Zeitpunkt hatte. Und ich wollte nicht ständig kostenlos Wissen weitergeben, für das ich selbst so viel Zeit und Geld hergegeben hatte.

Und jetzt hast Du die Deisterhunde. Was machst Du da genau?

Mit den Deisterhunden machen wir ganz unterschiedliche Sachen. Hauptsächlich Gruppentraining draußen. Wir machen das in kleinen Gruppen, immer maximal vier Hunde pro Gruppe. Wir gehen gern wandern, sind viel mit Hunden unterwegs. Wir waren schon Kanufahren oder im Harz wandern oder am Meer. Natürlich machen wir auch Standardsachen wie Leinenführigkeit, Sitz, Platz – aber das Motto der Deisterhunde ist: Gemeinsam draußen lernen. Wir wollen Orte schaffen, wo Hunde alltagstauglich werden, wo Menschen willkommen sind mit all ihren Eigenheiten, die sie mitbringen, wo aber auch Hunde willkommen sind mit all ihren Eigenheiten, die sie mitbringen. Egal, ob groß, klein, dick, dünn, mit Maulkorb, ohne Maulkorb, mit Rasse, ohne Rasse, ob Menschen, die schnell lernen, Menschen, die langsam lernen, die kritisch sind, die Wissen in kleinen Portionen haben wollen oder in großen – das sind die Deisterhunde. Eigentlich ein bunter Haufen. Außerdem gibt es einmal im Monat einen Themenabend, wo es Theorie gibt für alle die, die nicht nur Praxis wollen, sondern auch wissen wollen, warum es eigentlich diese und jene Praxis gibt. Wir machen im Prinzip das, was mir gerade so durch den Kopf schießt (lacht).

Na toll. Jetzt will ich bei Dir ein Praktikum machen.

Naa…geh‘ lieber mit mir wandern. Das ist viel cooler.

Sehr gern! Apropos: erklär doch mal bitte allen anderen Menschen, warum man sich drei Wochen skandinavisches Hinterland mit seinem Schäferhund antut.

Weil ich das mit Fredzl schon zwei Mal gemacht habe und es die geilsten Urlaube meines Lebens waren. Man friert, die Mücken essen einen auf, es ist todlangweilig, man hat Hunger. Und es gibt eine unfassbar geile Landschaft. So viel Landschaft und so viel Weite zu sehen, das ist etwas unglaublich Schönes. Das Gefühl, mit sich eins zu werden und ganz bewusst sich Schritt für Schritt zu überlegen: was möchte man jetzt machen, wie strukturiert man sich… gerade auch mit Hund finde ich es unglaublich faszinierend. Denn man kommt an einen Punkt, wo man sich auf seinen Hund verlassen muss. Wo man einfach nicht mehr die Alltagskontrolle ausüben kann, sondern wo man vertrauen muss, dass das, was man sich vorgenommen hat, jetzt auch funktioniert. Aber ich glaube, wenn ich ehrlich zu mir bin, ist das Schönste an solchen Urlauben, wenn sie vorbei sind und ich stolz auf mich sein kann, dass ich das geschafft habe. Ich habe das Gefühl, im Nachgang waren die Urlaube fast noch cooler als im Erleben. Und weil Fredzl jetzt leider zu alt für solche Sachen ist, muss eben die Rala dran glauben.

Kommen wir noch einmal zurück zum Job: Warum bist Du gerne Teil von KynoLogisch?

Ganz ehrlich? Ich finde KynoLogisch so cool, dass es mir gar nicht leicht fällt, das differenziert zu beantworten. Ich schätze unglaublich die Interdisziplinarität des Teams und dass wir in den Bereichen, die wir vertreten, auch wirklich Profi sind. Also nicht zu sagen: Klar kann ich Euch was über Biologie des Hundes erzählen, weil: Biologie hatte ich mal in der Schule und ich hab‘ auch zwei, drei Seminare besucht…sondern: bei uns hat Nora wirklich Ahnung von Biologie. Oder z.B. Marie, die sich wirklich damit beschäftigt hat, wie Verhalten funktioniert. Oder wie bei Ines: Ich habe nicht nur ein paar Hunde trainiert und das hat ganz gut funktioniert, sondern ich habe unheimlich viel Erfahrung mit eigenen Hunden, mit Fremdhunden, mit dem Anleiten von Kunden, mit dem Geben von Seminaren – und ich kann Euch all dieses praktische Wissen weitergeben. Das betrifft natürlich auch Deinen und meinen Bereich. Wir sind Expertinnen in dem, was wir erzählen und leben. Das ist ein ganz großer zweiter Aspekt, warum mir KynoLogisch so wichtig ist: weil bei uns auch dieser „Mensch-Teil“ so wichtig ist. Bei uns heißt es nicht: Kunden sind außerirdische Wesen, die wir nur genug manipulieren müssen, damit sie das machen, was wir sagen, sondern wir schauen sehr genau: wie funktioniert eigentlich eine gute Beratung? Wie mache ich  einen guten Trainingsaufbau? Wer ist eigentlich Schuld, wenn es nicht funktioniert? Oder ist die Frage nach der Schuld die falsche Frage? Geht es eher darum, Dinge noch einmal anders zu formulieren, Trainingsansätze nochmal anders aufzubauen, Erklärungen zu finden? Und wenn ja, wie mache ich das am besten? All das nimmt ja einen großen Platz bei KynoLogisch ein. Deshalb finde ich es so cool.

Was war bisher die schwierigste Lehrsituation für Dich und wie hast Du sie gelöst?

Hm…was ich manchmal schwer finde in der Lehre, ist, wenn Menschen ihren Hunden körperlich nicht gewachsen sind. Ich hatte z.B. mal eine ältere Dame mit einer jungen English Bulldog Hündin, die sehr energiegeladen war. Da war Training eigentlich nicht möglich, weil die Frau kaum noch stehen konnte, wenn der Hund an der Leine randaliert hat. Das hat Grenzen des Machbaren aufgezeigt. Wir haben irgendwann nur noch über Management geredet und gar nicht mehr über Verhaltensformung. Außerhalb des Hundetrainings kann ich mich an eine Situation erinnern, wo ich noch gar nicht lange in der Lehre war. Da haben wir über Entwicklungsbedingungen von Kindern gesprochen. Die Frage war: Wie beeinflusst unsere Sicht auf Entwicklung unseren Blick auf Kinder? Wenn Du z.B. der Umwelt von Kindern in der Entwicklung sehr viel Macht zuschreibst, wirst Du als Pädagogin oder als Pädagoge ja sehr machtvoll, weil ganz viel beim Gelingen oder Nichtgelingen der Entwicklung von Deiner Handlung abhängt. Ein Mann in dem Kurs war der Meinung, Entwicklung hängt davon ab, unter welchem Sternbild man geboren worden ist. Und nur davon! Ich wollte ihm seine Meinung gar nicht nehmen, aber ich wollte daneben auch noch andere Meinungen stehen lassen und ihm aufzeigen, was das für Auswirkungen auf sein Leben und Handeln als Pädagoge hat – aber der ist ganz sauer geworden, stand vor mir, hat mich angebrüllt und mit der Faust bedroht (lacht). Das war schon eine Situation, die fand ich schwierig zu lösen. Ich habe sie dann im Endeffekt gelöst, indem ich gesagt habe: Wir müssen hier einen Cut machen, denn ich muss Dich fragen: bist Du damit einverstanden, dass ich hier vorne lehre und damit auch das Gespräch moderiere? Damit hat er sich dann einverstanden erklärt. Ich musste ihn im Kursverlauf nur noch ein, zwei Mal dran erinnern und dann war es auch in Ordnung.

Du hast – gefühlt – 26 Stunden am Tag etwas vor. Trotzdem hast Du noch einen weiteren Job übernommen und unterrichtest jetzt auch geflüchtete Menschen. Erzähl doch mal davon.

Ich finde, das ist eine unglaublich wertvolle Arbeit, wo ich ganz viel auch über mich und meine Lehrtätigkeit lernen konnte, denn: wenn Lehre ohne Sprache funktioniert, kommt es noch viel mehr auf alles andere an. Aber ich habe vor allem auch einfach unglaublich nette Menschen kennengelernt und ganz viel Wertschätzung zurückbekommen. Ich habe Menschen kennengelernt, die hoch engagiert sind, etwas zu lernen, und denen es wichtig ist, was Du ihnen erzählst.

Gibt es im pädagogischen Methodenkoffer etwas, das Du gern allen Hundetrainerinnen und -trainern ans Herz legen würdest?

Ich weiß nicht, ob man das Methode nennen könnte. Nennen wir es „ressourcenorientierten Blick“. Das würde ich Trainerinnen und Trainern gern ans Herz legen: immer damit reinzugehen in ein Training und zu gucken: Was können die Menschen da eigentlich besonders gut? Oder was können die Hunde da besonders gut? Und wie können wir das nutzen, um das Problem, wegen dem man ins Training geholt wurde, zu bearbeiten? Also nicht immer nur darauf zu gucken, was gerade schief läuft oder verkehrt ist. Sondern vor allem Wert darauf zu legen, zu erfahren: Wie hast Du das eigentlich bisher geschafft und wie kannst Du Deine Stärken dafür nutzen, um das weiterhin zu schaffen?

Was sollte ein Hundetrainer oder eine Hundetrainerin Deiner Meinung nach am besten können?

Ich glaube, das wichtigste, was man als Hundetrainerin oder Hundetrainer können muss, ist, seine eigene Meinung zu revidieren. Man muss bereit sein, eine Annahme, die man einmal getroffen hat, zu hinterfragen oder durch eine neue Annahme zu ersetzen. Oder ganz platt gesagt: Reflektionsfähigkeit.

Von welchen Deiner Hunde hast Du etwas Unverzichtbares gelernt und was war das?

Ich habe von allen meinen Hunden etwas Unverzichtbares gelernt. Vom Dackel der Nationen habe ich gelernt, aus jeder Situation das Beste zu machen. Von Rala habe ich gelernt, dass man immer einen sicheren Hafen braucht. Von Fredzl habe ich gelernt, dass man durchaus auf sein Recht bestehen sollte, auch mal richtig schlechte Laune zu haben. Und von Sam habe ich gelernt, wie eng Vertrauen und Spielen zusammenhängen. Ich könnte Dir heute noch jede einzelne Situation beschreiben, wo sie sich darauf eingelassen hat, wirklich körperlich mit mir zu spielen, ohne auf Habacht zu sein, sondern sich einfach einzulassen.

Wie würdest Du Dich jemandem beschreiben, der Dich noch nicht kennt?

Mann, Du stellst ganz schön krasse Fragen. Hm. Ich kann das gar nicht richtig beantworten. Wem würde ich das erzählen? In was für einem Kontext? Je nachdem, in welchem Lebenskontext das wäre, würde ich ja andere Sachen sagen. Also. Vielleicht so ein paar Eckpunkte. Sachen, die mir wichtig sind. Z.B., wer zu mir gehört – Hunde, Pferde, etc. – dass ich eher Dorfkind als Stadtkind bin…hm. Nee. Also! Wenn Du mich mit einem Bier in der Hand auf einer Party triffst, wäre die erste Sache, die ich Dir von mir erzähle, dass ich extrem unkompetent in Smalltalk bin und ich mich total gern mit Dir unterhalten würde, aber wir erst ein Thema brauchen, weil ich so schlecht über Nichtigkeiten reden kann.

Nagut: Du bist große Schwester, ihr lebt unter einem Dach. Was sind die Vor- und Nachteile dieser Konstellation?

Der Nachteil ist, dass man immer das Taxi ist. Der Vorteil ist, dass man immer delegieren kann, wer die Spülmaschine ausräumt.

Du hast es gerade gesagt: Du hast nicht nur Hunde, sondern auch noch ein Pferd und Hühner. Warum bloß!?

Naja. Die Hühner wohnen im Garten und legen Eier. Das Pferd hatte ich schon vor den Hunden. Warum ein Pferd? Jeder braucht ein Pferd! Ich wollte schon reiten, da konnte ich noch nicht mal laufen!

Also sind Dir Pferde am Ende wichtiger als Hunde!? Gibt es etwa ein Leben ohne Hund?

Was? Nein! Im Moment gibt es sicher kein Leben ohne Hunde. Das ist doch total sinnlos, oder?

 

Die KyLo-Interviews:

Immer wieder werden wir gefragt, wer wir eigentlich sind und was genau dieses KynoLogisch nun ausmacht. Wir finden: Gute Frage! Deshalb stellen wir uns, unser Verständnis einer guten Hundetrainer-Ausbildung (und natürlich unsere liebsten Hunde 😉 ) in einer Interviewreihe ein bisschen genauer vor. Den Anfang machte Dr. Marie Nitzschner. Das Smartview und Interview mit ihr findet ihr hier.