Unser Umgang mit Corona: Hundetrainer*innen ausbilden in Zeiten von Corona
von Jennifer Rotter & Nora Brede
Die zweite Welle rollt nicht mehr heran, die zweite Welle ist da. Was Virolog*innen bereits im Sommer vorhersagten, ist jetzt eingetroffen: Die Fallzahlen steigen sprungartig an und wir befinden uns an der Schwelle zu einem hochproblematischen Verbreitungsmuster: großflächige Ausbreitung, bei der die Infektionswege nicht mehr nachvollziehbar sind, tritt an die Stelle von Ausbruchs-Clustern und gut isolierbaren Spreader*innen.
Wir haben uns seit März mit der Pandemie beschäftigt. Als Privatmenschen, die in einer unübersichtlichen und wandelbaren Faktenlage ihren Alltag navigieren müssen. Aber auch als Bildungsunternehmen, das in einem sensiblen Spannungsfeld agiert: Wir wollen weiter ausbilden. Und wir wollen, dass die Lernenden, die sich uns anvertrauen, sicher sein können, so gut wie möglich geschützt zu sein. Das erfordert viel: Es erfordert, täglich auf dem neuesten Stand zu sein, Entwicklungen zu prognostizieren und zum Teil Entscheidungen kurzfristig auf Basis einer Sachlage zu treffen, die am darauffolgenden Tag schon wieder ganz anders sein kann. Konnten wir uns im März immer auf den bundesweiten Lockdown beziehen und uns daran orientieren, sind wir nun dazu verpflichtet, eigenverantwortlich zu entscheiden – und das ist eine ungeahnt anstrengende Situation, der wir uns so stellen wollen, dass auch diejenigen, die unsere Angebote nutzen, wissen, woran sie sind.
Lernen ermöglichen!
Wir möchten uns auf das konzentrieren, was wir können und was wir lieben: Lernen ermöglichen. Wollen wir das tun, müssen wir die Rahmenbedingungen, in denen Menschen leben, in die Organisation unserer Angebote mit einbeziehen. Wir leben in Zeiten, in denen diese Rahmenbedingungen kollektiv herausfordernder sind, als wir alle es uns wünschen würden. Wir haben aber in den letzten Monaten festgestellt, dass unsere Werte und unser Weg bis hierher uns viele Ressourcen an die Hand gegeben haben, um dieser Herausforderung gewachsen zu sein. Unser Motto war von Beginn an: Flexible Strukturen schaffen, in denen Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensbedingungen gut lernen und sich entwickeln können. Starke Netzwerke knüpfen, die verschiedene Kompetenzen verlässlicher Partner*innen zusammenbringt. Kollegialität und Empathie als handlungsleitende Prinzipien verankern. Und: ein wohldurchdachtes Lehrkonzept haben, auf dessen Basis auch kurzfristig auf unerwartete Entwicklungen reagiert werden kann.
Unser 6-Punkte-Plan
Die Pandemie und ihre Auswirkungen sind ein fortlaufender Stresstest für diese Werte und die Unternehmenskultur, die daraus erwächst. So kräftezehrend und unübersichtlich die jetzige Situation mit massiven Zuwächsen an Neuinfektionen, Beschlüssen, Verordnungen und Strategiewechseln ist, so froh sind wir, dass wir verändern , verschieben oder auf inzwischen jahrelanges Wissen in der Online-Lehre zurückgreifen können. Ganz konkret bedeutet das Folgendes:
1. Langfristig planen, soweit das möglich ist
Zu Beginn der ersten Welle haben wir auf Basis der vorhandenen Informationen und des wissenschaftlichen Kenntnisstandes mögliche Szenarien durchgespielt und für jedes dieser Szenarien einen Handlungsplan entwickelt, soweit es möglich war. Wir haben versucht, prognostizierte langfristige Entwicklungen und Folgen genau so einzubeziehen wie ganz konkrete operative Fragen. Diese Pläne waren und sind nicht unumstößlich, aber dank ihrer haben wir Strategien, auf die wir zurückgreifen und die wir nötigenfalls anpassen, um nicht ständig kurzfristig unter Druck reagieren zu müssen, sondern aktiv handeln und gestalten zu können. Zum Beispiel: Wie viel Puffer benötigen wir bei der Terminplanung im kommenden Jahr, um ggf. ausgefallene Seminare nachholen zu können? Inwieweit und wie lange können wir bei der jetzigen Arbeitsplanung und im Worst Case Auszubildende unterstützen, wenn sie auf Grund der Eindämmungsmaßnahmen in finanzielle Engpässe geraten? Welche Seminare können ohne Qualitätsverlust digital angeboten werden und welche Unterstützung können wir Dozent*innen anbieten, wenn sie ihre bisher analogen Inhalte online anbieten?
2. Informiert bleiben
Wir halten uns täglich auf dem Laufenden und informieren die Mitglieder des Kernteams, wenn es neue Entwicklungen gibt. Unsere Quellen sind dabei die Medien, die Briefings der mit der Pandemie befassten wissenschaftlichen Einrichtungen und ggf. die Erklärungen politischer Entscheidungsträger*innen auf allen Ebenen und in allen für uns relevanten Regionen. In der Woche vor einem Seminar behalten wir die Bestimmungen der Ämter vor Ort im Blick und stehen mit ihnen in Kontakt, um abzuklären, ob und wie Veranstaltungen stattfinden dürfen, ob es Einschränkungen bei den Übernachtungsmöglichkeiten gibt oder ob die Region auf dem Weg zu einem Risikogebiet ist. Sind neue Beschlüsse absehbar oder werden erlassen, trifft sich das Kernteam digital, um die Konsequenzen der Beschlüsse zu eruieren und entsprechend umzusetzen – auch kurzfristig.
3. So schnell wie möglich handeln und andere informieren
Wird am Donnerstagabend ein neuer Beschluss bekannt, der Folgen für das Seminar am Wochenende hat, dann stimmen wir am selben Abend ab, wer worüber informiert werden muss, und setzen umgehend die Betroffenen in Kenntnis: Müssen neue Regeln eingehalten werden? Kann das Seminar eventuell nicht stattfinden? Können möglicherweise Menschen nicht daran teilnehmen, weil sie in Risikogebieten wohnen? Im Zweifel verschieben wir lieber eine Veranstaltung einmal zu oft, wenn wir sie nicht ohne Qualitätsverlust online umsetzen können, als Menschen in belastende und potenziell gefährliche Lernsituationen zu zwingen.
4. Ein Hygienekonzept haben und anwenden
Bei Seminaren informieren wir vorab per Mail und vor Ort in Aushängen über unsere Hygienestandards. Und die hängen wir nicht nur pro forma an die Wand, sondern die meinen wir auch genau so. Teilnehmende und Dozent*innen von Veranstaltungen müssen einen Mindestabstand von 1,50m einhalten und eine Maske tragen. Die Maske darf abgesetzt werden, solange man sich an seinem Sitzplatz befindet. Wo es möglich ist, findet das Seminar vor allem draußen statt. Es muss drinnen regelmäßig gelüftet werden, Desinfektionsmittel stehen in ausreichender Menge bereit und sollen regelmäßig verwendet werden. Wir empfehlen unseren Teilnehmenden und fordern sie dazu auf, die Corona-Warnapp zu installieren, um im Zweifelsfall Infektionswege nachvollziehen zu können. Die nötigen Schritte im Falle eines bekannt werdenden Risikokontaktes oder einer Infektion haben wir durchgespielt und können sie deshalb im Ernstfall umgehend umsetzen.
5. Keine falschen Anreize setzen und Unterstützung anbieten
Menschen haben Sorgen und Ängste, die ernst genommen werden müssen. Wir bieten an zu helfen, wenn das möglich ist. Sie könnten z.B. aus einem Risikogebiet sein, sich aber sorgen, dass sie Inhalte verpassen, wenn sie an dem Seminar nicht teilnehmen, oder Angst haben, dass sie die Kosten für Stornierungen und Umbuchungen nicht tragen können. Vielleicht ist auch der umständliche Kontakt mit den Ämtern zur Klärung wichtiger Fragen allein nicht zu schultern. Wir prüfen deshalb regelmäßig, welche Schwierigkeiten für unsere Teilnehmenden durch einen Ausfall oder eine Verschiebung entstehen könnten, und bemühen uns um Entlastung – z.B., indem wir Unterstützung bei Stornierungen anbieten, oder früh genug darlegen, warum Ausfälle nicht zu Problemen bei der Abschlussprüfung führen werden. So wollen wir verhindern, dass Teilnehmende auf Grund vermeidbarer Hindernisse unter den Druck geraten, sich überlegen zu müssen, ob sie Bestimmungen unterlaufen sollten.
6. Im Zweifel lieber Vorsicht als das Nachsehen haben
Wir verbinden Pragmatismus mit dem höchsten und gleichzeitig naheliegenden Wert: Die Gesundheit und das Leben jedes Menschen hat Priorität. Es trifft nicht „nur“ Alte und Vorerkrankte, es trifft Menschen, die am Leben und so gesund wie möglich sein wollen. Da Corona eine neue Erkrankung ist, lernen wir gerade jeden Tag dazu. Wissen von gestern kann heute überholt sein. Das ist normal. Wir orientieren uns an konservativen Berechnungen und dem aktuell nach wissenschaftlichen Standards erlangten Wissen. Wir akzeptieren, dass politische Entscheidungsträger*innen im Moment nach bestem Wissen und Gewissen Entscheidungen treffen müssen, deren volle Tragweite oder Sinnhaftigkeit sich vielleicht erst mit Verzögerung oder gar nicht einstellt. Wir akzeptieren auch, dass in einer Demokratie unterschiedliche Interessen in diesen Prozess eingebracht und verhandelt werden – unsere Gesellschaft ist eben kein Laborexperiment unter perfekten Bedingungen, sondern wird von unperfekten Menschen gemacht. Wir halten es für richtig, dass Nebeneffekte der derzeitigen Maßnahmen diskutiert und kritisch beleuchtet werden – die Überwachung, die jetzt Leben retten kann, kann z.B. eine wunderbare Infrastruktur für die Terrorherrschaft eines Unrechtsstaats werden. Solche möglichen Kollateralschäden müssen analysiert und verhandelt werden. Wir lehnen aber Verschwörungstheorien ab, weil wir sie für gefährlich und im Kern für unmenschlich halten. Wir lehnen außerdem jede sozialdarwinistische Idee eines Überlebens des Stärkeren ab. Und wir halten es, ehrlich gesagt, für absurd, wegen eines Stückchens Stoff im Gesicht die nächste Diktatur zu wittern.
Das hier ist ein langer Text und wir haben viel darüber nachgedacht, ob er von Interesse ist. Wir glauben, dass es wichtig ist, transparent zu kommunizieren, wie wir in Zeiten einer globalen Pandemie agieren. Wir tragen als Ausbilderin und Veranstalterin eine Verantwortung, die wir so bisher noch nie tragen mussten – aber im Herzen ist für uns klar, dass unsere Werte nicht nur leere Floskeln sind, sondern richtungsweisend für unsere Entscheidungen im Sinne unserer Teilnehmenden und Kund*innen. Bitte bleibt uns gewogen – und gesund.