Das B.F. Skinner Video- und Audioarchiv

von Christian Junk

Skinner wurde 2002 in der Fachzeitschrift Review of General Psychology (noch vor Freud) als der bedeutendste Psychologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet. (Haggbloom et al., 2002)

Dennoch ist uns Skinner im Hundetraining oftmals nur bekannt durch die allgemein als „vier Lernquadranten“ bezeichneten, grafischen Darstellungen zur Erklärung der operanten Konditionierung.

Burrhus Frederic Skinner, bekannt als B. F. Skinner, wurde am 20. März 1904 in Pennsylvania geboren und verstarb im Alter von 86 Jahren am 18. August 1990 in Massachusetts. Skinner wollte eigentlich Schriftsteller werden und absolvierte daher nach der High School zunächst in New York ein kunst- und sprachwissenschaftliches Studium bis 1926. Dies gelang ihm aber nur mit mäßigem Erfolg und so arbeitete er nach seinem Studium zunächst als Gehilfe in einer Buchhandlung. Dort ist er mit den Werken von Ivan P. Pavlov, John B. Watson und Bertrand Russell in Berührung gekommen, die ihn und seine Arbeit maßgeblich prägten und ihn dazu veranlassten, sich im Alter von 24 Jahren in Harvard im Fach Psychologie einzuschreiben. Ab diesem Zeitpunkt entwickelte sich seine erstaunliche Karriere.

Mehr Wissen liegen zu seiner Person und seinem Schaffenswerk meist nicht vor und wenn doch, so handelt es sich dabei – meiner Erfahrung nach – um Stereotype, Falschaussagen, Mythen und Missverständnisse, Urban Legends oder wissenschaftliche Wandersagen, die kaum mehr aus der Welt zu schaffen sind. (Todd & Morris, 1992).

Skinner, der Frankenstein der Lerntheorie?

Wenn Du gerade in diesem Moment mit Skinner einen verrückten, eiskalten Wissenschaftler verbindest, der Tauben und Ratten in eigens dafür gebauten Maschinen quälte (Skinner Box), seine eigene Tochter in einer Box großzog (Air Crib), Menschen und Tiere hinsichtlich ihres Verhaltens als unbeschriebene Tafeln (Blank Slate Theorie) betrachtete (in dem Sinne, dass alles Verhalten lediglich erlernt sei), der alle biologischen sowie genetischen Einflüsse als auch die Existenz von Gedanken, Emotionen und Gefühlen leugnete, Lebewesen jegliche Individualität absprach und Menschen sowie Tiere wie Computer programmieren wollte (Teaching Machines), dann denkst Du genau an den Skinner, über den ich gerade schreibe.

Jedoch handelt es sich bei allen Punkten um die oben erwähnten Falschinformationen, die zu Unrecht dazu beitragen, dem Radikalen Behaviorismus den Anschein einer seelenlosen Automaten- oder Roboterwissenschaft zu verleihen. Auch die Bezeichnung „radikal“ hat nichts mit Rücksichtslosigkeit oder Härte im Vorgehen zu tun, sondern bezieht sich auf den Umstand, dass radikale Behavioristen nicht nur (wie andere Behavioristen) davon ausgehen, dass eine Wissenschaft des Verhaltens möglich ist, sondern dass es sich dabei sogar um eine Naturwissenschaft – also eine empirische Wissenschaft – handeln kann.

Da diese Missverständnisse Teil des kulturellen Nebels geworden sind und sich sogar so hartnäckig über die Jahrzehnte in das kollektive Bewusstsein geprägt haben (DeBell & Harless, 1992), dass sie selbst Einzug in psychologische Fachliteratur und Vorlesungen erhalten haben (Todd & Morris, 1983), existieren mittlerweile eigene Forschungsarbeiten dazu, die beleuchten, wie es so derartigen Fehlinformationen und Fehlinterpretationen gekommen ist. In diesem Kontext wurde selbst seine Persönlichkeit posthum in einer Studie analysiert (Overskeid et al., 2012).

Er war der Prototyp eines/einer Universalgelehrten

Skinner war nicht nur der Begründer der Philosophie des Radikalen Behaviorismus, sondern auch derer wissenschaftlichen Umsetzung, der experimentellen Verhaltensanalyse. (Er plädierte für eine naturwissenschaftliche Erforschung des Verhaltens und sprach sich dabei vehement gegen sogenannte mentalistische Erklärungsansätze aus, die eben nicht an einer wissenschaftlichen Hypothesenbildung ausgerichtet sind und somit keine Eigenschaften wie z.B. Falsifizierbarkeit, Messbarkeit, Parsimonität, Determiniertheit, etc. aufweisen). Er schrieb unzählige Aufsätze, wissenschaftliche Abhandlungen, Bücher und philosophische Werke, hielt Vorträge, Vorlesungen, setzte sich für Forschung und Lehre sowie seine Student*innen ein, erfand zahlreiche Apparaturen, die seiner Zeit voraus waren. Er war Prototyp einer/eines Universalgelehrten, ein Tausendsassa, aber auch liebevoller Vater und Ehemann.

„Skinner umarmte den Behaviorismus nicht als kalter, gefühlloser Nihilist, sondern als ein sensibler, unglücklicher, leicht zynischer junger Mann, der tatsächlich nach etwas suchte – manchmal verzweifelt – nach etwas, über das er nicht zynisch sein musste. Er würde sein ganzes Leben ein Romatiker bleiben.“ (Bjork, 1993)

Eines aber war er nicht: er war kein exzentrischer, mitreißender Redner, der mit seinem Auftreten oder seinem Aussehen Menschen in seinen Bann zog. Heute würde man ihn wohl als Nerd bezeichnen. Er hatte für seine experimentelle Verhaltensanalyse eine eigene, sperrige Sprache mit neuen Wortschöpfungen kreiert, die es Außenstehenden oft schwer machte, ihm zu folgen und ihn zu verstehen. Er drückte sich häufig sehr gewählt, überlegt, analytisch, technisch und „kühl“ aus.
Für ein breiteres Publikum geschriebene Bücher, besonders das 1971 erschienene „Jenseits von Freiheit und Würde“, wurden als hoch provokativ wahrgenommen und führten zu regelrechtem Entsetzen innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Feuilletons. Massentauglich waren sie dennoch nicht.

Von unschätzbarem Wert für die verhaltensanalytische Arbeit

Meiner Meinung nach trug dies – neben vielen anderen Dingen – dazu bei, dass es noch heute an einer breiteren Beachtung und Wertschätzung fehlt, die er und seine Arbeit verdienen. Dabei hat eben jene noch heute einen unschätzbaren Wert für die verhaltensanalytische Arbeit und auch oder gerade für das Hundetraining. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass bisher noch nicht alle Schätze seiner Arbeit gehoben sind und die Gesamtbedeutung teils noch verborgen liegt.

Die letzten Monate habe ich daher Zeit investiert, um meine private, aus dem Internet und anderen Quellen zusammengetragene B. F. Skinner Video- und Audiosammlung zu komplettieren, zu kommentieren, Tonspuren und Videos zu restaurieren und sie der Allgemeinheit an einem zentralen Ort, dem Internet Archiv (https://www.archive.org), zur Verfügung zu stellen. Aktuell umfasst die Sammlung über 60 zeithistorische Dokumente, die hoffentlich dazu beitragen werden, Skinner und seine Arbeit besser erfahrbar und ihren Wert kenntlicher zu machen.

Die Sammlung ist kostenlos, ohne Werbung und ohne vorherige Anmeldung abrufbar unter https://archive.org/details/bfskinner. Weitere Informationen über ihn finden sich natürlich auf den offiziellen Seiten der B. F. Skinner Foundation.

Quellen:

Bjork, D. W. (1993). B.F. Skinner: A Life. Basic Books.

DeBell, C. S., & Harless, D. K. (1992). B. F. Skinner: Myth and Misperception. Teaching of Psychology, 19(2), 68–73. https://doi.org/10.1207/s15328023top1902_1

Haggbloom, S. J., Warnick, R., Warnick, J. E., Jones, V. K., Yarbrough, G. L., Russell, T. M., Borecky, C. M., McGahhey, R., Powell, J. L., Beavers, J., & Monte, E. (2002). The 100 Most Eminent Psychologists of the 20th Century. Review of General Psychology, 6(2), 139–152. https://doi.org/10.1037/1089-2680.6.2.139

Overskeid, G., Grønnerød, C., & Simonton, D. K. (2012). The Personality of a Nonperson: Gauging the Inner Skinner. Perspectives on Psychological Science, 7(2), 187–197. https://doi.org/10.1177/1745691611434212

Todd, J. T., & Morris, E. K. (1983). Misconception and miseducation: Presentations of radical behaviorism in psychology textbooks. The Behavior Analyst, 6(2), 153–160.

Todd, J. T., & Morris, E. K. (1992). Case histories in the great power of steady misinterpretation. American Psychologist, 47(11), 1441–1453. https://doi.org/10.1037/0003-066X.47.11.1441