Aktionstage Nachhaltigkeit: Die Ernährung unserer Hunde
Ein, wenn nicht das kontroverseste Thema überhaupt.
von Malin Schneider
Die Rolle unserer Hunde hat sich in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt. Hätte ich meinem Opa erzählt, dass er für gutes Geld einen Hundetrainer, geschweige denn einen Ernährungsberater für den teildefekten Tierschutzhütehund engagiert, hätte er herzlich gelacht, liebevoll, aber sehr herzlich. Das tut er auch heute noch, wenn ich ihm über die Ernährungsgewohnheiten meiner Montagsallergiehündin berichte. Herzlich, liebevoll und auch ein bisschen ungläubig. Opas Lola, meine beste Hundefreundin aus Kindertagen, mit schwerer HD gesegnet, fraß mit Vorliebe Chappi aus der Dose, Reste vom Tisch, die auch mein Opa nicht mehr haben wollte und an besonderen Tagen gab es auch mal Wurstreste, die konnte man früher beim Metzger an der Theke erfragen. Punkt. Da gab es keine Öle, Pülverchen und Theorien über den Fleischanteil im Futter. Nein, früher war auch nicht alles besser, aber auch nicht alles schlecht.
Was hat das jetzt genau mit Nachhaltigkeit und Futter zu tun?
Nichts direkt, aber wie ich finde, indirekt. Mein Opa hat sich vermutlich nie in seinem Leben Gedanken darüber gemacht, wie groß sein CO2-Abdruck am Ende seiner Tage sein wird oder wie die Sau starb, die auf seinem Teller gelandet ist. Und das ist ok so. Die Generation meines Opas hatte andere Sorgen, das ist keine Entschuldigung für Unwissenheit und Ignoranz, sondern schlichtweg (m)eine Hypothese: Wer im Krieg aufwächst und nichts zu beißen hat, der macht sich keine Sorgen um sterbende Schweine und Urwälder.
Für meine Generation gilt das schon lange nicht mehr. Kein Krieg, keine Hungersnot, keine Klima-Ignoranz, so einfach ist das.
Nehme ich also die 2,3 Tonnen CO2 jährlich, die allen Menschen zur Verfügung stehen, um perspektivisch das Zwei-Grad-Klimaziel (1) einzuhalten, muss ich für meine 25 kg Hündin, bei durchschnittlicher Auslastung und der Vorgabe „hoher Fleischanteil“ (70-80 %)(2), ca. 1,3 Tonnen (3;4) für die Ernährung meines Hundes abziehen, wohlgemerkt nur für Fleisch, Innereien und Knochen. Damit war das Stinktier noch nicht in der Tierarztpraxis, ist noch nicht mit in Urlaub gefahren, hat noch keine Leckerlis oder Gemüsebeilage, Spielzeuge oder die 248-ste Leine bekommen, einfach weil das Leder sich so geschmeidig anfühlt oder die Farbe so schick zur neuen Winterjacke passt. Ich höre meinen Opa wieder lachen, liebevoll, aber ungläubig. Ich höre mich lachen, nicht liebevoll, aber durchaus ein wenig hysterisch und auch ungläubig. Ist das mein Ernst, ist das unser Ernst? Wie soll das mit dem CO2-Limit gehen mit einem Fleischfresser im Haus?
Der Hund ist kein Fleischfresser – er ist ein Omnivor, also ein Allesfresser.
Es lohnt sich also, nochmal über das Futter des Hundes nachzudenken, wenn man eben kein Montagsmodell daheim hat: Wie ist das nun eigentlich mit dem Getreide und dem hündischen Verdauungstrakt? Kann der das oder setzen sich dort in Windeseile Rost und Kalk an und das Teil ist schrottreif betankt?
Opas Lola ist elf Jahre alt geworden mit ihren beiden Hüftoperationen, zugegeben ein bisschen mopsig, aber Oma hat da auch einfach konsequent beide Augen feste zugedrückt, frei nach dem Motto „Unsere Lola, zu dick? Du spinnst doch.“ Was will man da machen.
Chappi Dosenfutter hat heute einen Fleischanteil von 28 %, der Rest sind Getreide und Mineralstoffe. Ich staune, es ist kein Zucker in der Dose, keine auffallend komischen Dinge, nur Fleisch, Getreide und Mineralstoffe. Punkt. Chappi wird mir auf einmal sehr sympathisch. „Hahaaa!“, ruft ihr: „Fleisch ist nicht gleich Fleisch – alles Hühnerfüsse, -kämme und anderer Abfall, den kein normaler Mensch essen würde!“ Marie Nitzschner hat erläutert, was Hunde fressen, wenn sie nicht gezielt und kontrolliert gefüttert werden.
Fakt ist, ein Hund ist kein Wolf. Wenn sie sich alleine ernähren, dann schaffen sie das mit 24 bis 53 % tierischem Anteil. Und ihr wollt gar nicht wissen, welchen hohen Anteil Kot an der Nahrung ausmacht… Ich weiß, dass mein Hund total gerne auf Hühnerfüssen herumkaut – und letztendlich geht es doch um den körperlichen Bedarf und nicht darum, welchen Geschmack und Sinn für Ästhetik ich habe, denn da ist mein Hund definitiv ganz anderer Ansicht. Es ist unser Problem, wenn wir meinen, Hund könne nur von dem leben, was auch wir an der Supermarkttheke kaufen können – dem Hund ginge es gut mit all jenen Abfällen, die bei der Schlachtung eines Tieres heute entstehen, weil wir sie noch nie gegessen haben oder nicht mehr essen, weil es nicht notwendig ist. Fragt meinen Opa und vielleicht auch die Chappi-Produzenten, vermutlich finden sich in den 28 % Fleisch und tierischen Nebenerzeugnissen pro Dose mehr Füße als Filets.
Der Getreideanteil im Futter hat etwas mit Nachhaltigkeit zu tun.
Ich halte fest, erfahrungsbasiert passiert erstmal nichts Dramatisches, wenn sich ein Hund ein Leben lang durch’s Kornfeld futtert. Das ist natürlich nur eine Geschichte und keine Studie. Allerdings eine Geschichte, die bestätigt, was Studien belegen, nämlich dass Hunde, genauso viele Genkopien zur Stärkeverdauung wie Menschen, Schweine, Ratten und Mäuse besitzen. Manche Hunderassen können es besser als andere, aber keine kann es nicht. Was treibt uns also dazu an, unseren Hunden eine extrem fleischlastige Ernährung zu ermöglichen? Die Tatsache, dass sie eigentlich Raubtiere sind, die mit uns in einer harmonischen Gemeinschaft leben müssen, wo in der Regel wenig Raum für’s Raubtiersein ist? Wünschen wir uns mehr Zugang zu ihrem und unserem natürlichen Ursprung oder zur Natur selbst?
Ein Leben mit Chappi aus der Dose spart im Verhältnis zu einer Fütterung mit hochwertigstem Fleisch, bio oder nicht, Abfallprodukt oder nicht, mehr als 50 % des CO2-Abdrucks eines Hundes, in Bezug auf die Fütterung von Fleischprodukten, das bedeutet 0,65 Tonnen CO2 werden pro Jahr eingespart. Das sind doch rosige Aussichten finde ich.
(Diese Zahlen sind nicht absolut und nicht auf die Kommastelle ausgerechnet und orientieren sich an der Produktion von Rindfleisch, einem gängigen Fleischanteil in Hundefutter.)
Der Konflikt zwischen den eigenen Gefühlen und der… Möhre.
Trotzdem, es fühlt sich für mich komisch an, meinem Hund sein Fleisch zu nehmen und ich glaube, dass es vielen Hundehaltern so geht.
Unsere Hunde sind Familienmitglieder geworden, vielleicht noch mehr als früher bzw. auf eine andere Art und Weise, weil sie uns häufig begleiten und unsere Leben tatsächlich miterleben. Meine Hündin ist fast immer an meiner Seite, solange die Umstände das möglich machen. Futter ist vermutlich der plakativste Dank, den wir zurückgeben können und so bemühen wir uns unsere Hunde bestmöglich zu versorgen. Es ist schlichtweg unmöglich Hunde zu fragen, ob sie auch mit einem morgendlichen Haferbrei zufrieden wären oder es als ausreichend empfinden würden, wenn ein bisschen Speck dem Getreide Geschmack schenkte.
Wir haben jedoch die Möglichkeit auszuprobieren und herauszufinden, was ihnen schmeckt und guttut, fernab von Dogmen und Ideologien und wir haben das Wissen darüber, dass die Idee vom fleischfressenden Hund, der unglücklich an einem alten Kanten Brot lutscht, überholt ist. Ja, es gibt nicht wenige Hunde, die vertragen viel Fleisch nicht einmal wirklich gut und mümmeln mit Inbrunst gekochten Reis oder Kartoffeln (natürlich nicht ausschließlich, denn das wäre ja dann auch nicht bedarfsdeckend). Meine Hündin liebt zum Beispiel Möhren in allen möglichen Variationen. Warum nicht mal ein Möhrenkuchen zum Geburtstag statt der viel fotografierten Hacktorte?
Ich wünsche mir ein Umdenken, für mich persönlich und in der ganzen Szene, im Sinne einer nachhaltigeren Hundehaltung. Hunde müssen nicht vegan leben, Hunde müssen nicht vegetarisch leben, aber sie können das dank fuchsiger Futtermittel und wir müssen uns eingestehen, dass 100 kg Fleisch im Jahr für einen 25 kg Hund eine Zahl ist, die in keiner Weise umweltverträglich ist und auf keiner Klimakonferenz der Welt wohlwollend abgenickt würde – erst recht nicht, wenn man den heutigen Stand der Wissenschaft dazu anerkennt. „Unsere Hunde brauchen viel Fleisch.“ ist ein Argument, dass nicht mehr belastbar ist und im Sinne der Nachhaltigkeit auch schwer vertretbar. Da gebe ich lieber den Fleischanteil auf und teile mir eine Schüssel Müsli mit meinem Raubtier, ganz unraubtierlich im Garten sitzend.
Tipps für eine nachhaltigere Ernährung für Hunde:
- Ein hoher Getreideanteil ist völlig okay, wenn Dein Hund es verträgt.
- Achte darauf, dass das Fleisch nicht um den halben Globus fliegen muss… kein Hund wird durch neuseeländisches Lamm auch nur ein Atömchen glücklicher.
- Hundemöhrenkuchen (Nomnommm!)
- Lest Maries Artikel zum aktuellen Stand der Wissenschaft über die Ernährung bei Hunden (und die anderen zum Thema auf Hundeprofil 😉 )
- Insekten (vor allem Waffenfliegenlarven) sind zwar eine Alternative zu Fleisch, wenn es um Hundefutter geht, aber die Produktion ist leider momentan auch nicht sehr nachhaltig.
- Probiere aus, was dein Hund an Obst und Gemüse gerne mag, Apfel, Banane und Möhre kommt ohne Verpackung aus, ist blitzschnell kleingeschnitten und außerdem kostengünstig. Heißer Tipp: Sellerie – ALLE Hunde lieben Knollensellerie.
- Füge (D)einem Kostverächter nach und nach mehr Gemüse und Getreide unter’s heißgeliebte Futter. Eine Veränderung der Ernährungsgewohnheiten braucht mitunter Zeit und Geduld, nicht nur bei uns Menschen. Fein geraspelt oder gekocht und/oder püriert funktioniert es sich am besten.
Alle weiterführenden Links (zuletzt abgerufen am 21. September 2021):
(1) https://www.tagesschau.de/multimedia/bilder/grafik-co2-101.html
(2) https://www.futter-fundgrube.de/barf-rechner-hund
(3) https://www.oekoservice.ch/images/news/2016/Factsheet_Swiss_Climate_Wie_viel_ist_eine_Tonne_CO2.pdf
(4) https://www.greenpeace.de/themen/landwirtschaft/fleischeslust-was-das-stuck-lebenskraft-tatsachlich-kostet