Barrieren im Hundetraining: Checkliste und Interview

Gespräch mit Karin Giessler

Welche physischen Barrieren gibt es im Kontext von Hundetraining und wie kann ich sie abbauen? Unser Vielfaltsteam-Mitglied Karin Giessler hat dazu eine Checkliste entwickelt. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, wie sie zum Thema Barrierefreiheit gekommen ist, warum sich Hundetrainer*innen damit auseinandersetzen sollten und wo man Tipps und Hilfe bekommt, wenn man das tun möchte.

Ein junger Mann mit einer Beinprothese kniet auf einem Knie auf dem Boden und hält seinem Hund, einem Chow Chow ein Leckerchen vor die Nase. Der Hund sitzt auf der Wiese, i Hintergrund Natur, der Mann lächelt, beide sind entspannt und aufmerksam.
Eine Frau mit zurückgesteckten Haaren steht vor einer hügeligen Landschaft und lächelt in die Kamera. Das ist Karin Giessler

Unser Vielfaltsjahr machen wir nicht allein, sondern gemeinsam mit vielen Mitstreiter*innen: Im Team entstehen Ideen, werden Projekte erdacht und Konzepte erarbeitet. Eine unserer Vielfalts-Kylos ist Karin. Sie hat eine Checkliste entwickelt, mit der man prüfen kann, welche Barrieren es vielleicht an Trainingsorten wie Hundeplätzen gibt. Hier könnt Ihr Euch die Checkliste anschauen – und uns sehr gerne Feedback geben! Sie ist noch eine „Betaversion“, die diskutiert, verbessert und erweitert werden will. Mit Karin haben wir darüber gesprochen, wie sie zum Thema Barrierefreiheit gekommen ist, warum sich Hundetrainer*innen damit auseinandersetzen sollten und wo man Tipps und Hilfe bekommt, wenn man das tun möchte.

Hallo Karin! Zuerst zu Dir: Wer bist Du und welchen Bezug hast Du zum Thema Barrierefreiheit?

Ich bin Karin, 44 Jahre alt und seit inzwischen ungefähr 20 Jahren Architektin. Von dieser Berufszeit habe ich etwa 10 Jahre als Bauherrnvertreterin in der Projektsteuerung für einen Träger der Behindertenhilfe gearbeitet. Da habe ich primär Wohngruppen bei der Veränderung des Wohnraumes geholfen: Also dabei, dass Menschen mit Behinderungen, die in alten Anstaltsgebäuden – das ist ja oft so Kasernenarchitektur – untergebracht waren, umziehen in ganz normale Wohnhäuser auf dem so genannten freien Wohnungsmarkt.

Das war eine superspannende Tätigkeit. Ich denke, das hat mich geprägt im Umgang mit dem Thema räumliche Barrieren. Dazu kommt natürlich, dass bei den Hundetrainer*innen wenig Bauleute, Baumenschen unterwegs sind. Karen und Jenni vom Vielfaltsprojekt haben dann gefragt, ob jemand Lust hat, sich des Themas anzunehmen, und ich dachte: Ich glaube, hier kann ich mich sinnvoll einbringen; das, was ich mir so viele Jahre lang erarbeitet und angewendet habe, weitergeben und vielleicht anderen helfen, coole Räume zu bekommen.

Warum sollte ich mich denn Deiner Meinung nach als Hundetrainer*in damit überhaupt befassen?

Naja, also: aus demselben Grund, aus dem sich jeder andere Mensch hoffentlich auch damit befasst. Angebote, die gesellschaftlich relevant sind oder Teilhabe ermöglichen, sollten auch für alle Menschen zugänglich sein. Das hat natürlich finanzielle und manchmal auch räumliche oder topografische Grenzen. So ´ne Alpenbesteigung für jemanden, der im Rollstuhl sitzt, könnte ich mir auch schwierig vorstellen, aber wenn man nicht wenigstens mal darüber nachdenkt, ob das gehen könnte, wird es halt nicht passieren. Insofern sollten wir einfach den Weg weitergehen, die Teilhabe am Leben möglichst vielen Menschen zu ermöglichen.

Hast Du vielleicht ein paar Tipps für Hundetrainer*innen, die anfangen wollen, sich mit physischer Barrierefreiheit auseinander zu setzen?

Das mit den einfachen Tipps kann schwierig sein, je nachdem, um welche Barrieren es sich handelt; ob es zum Beispiel ein spezielles Thema gibt, mit dem man sich befassen will. Sehbehinderung beispielsweise, körperliche Bewegungseinschränkungen und und und. Idealerweise reagiert man individuell auf die Anforderungen. Wenn man es für alle zugänglich machen will, gibt es diesen Begriff des Universaldesigns, das hat sich mittlerweile, soweit ich weiß, gut durchgesetzt. Dazu findet man auch im Internet relativ viele gute Tipps.

Wenn man sich selbst schlau machen will, um einfach mal zu schauen: Welche Aspekte gibt’s, was sagen denn die Gesetzestexte, gibt es vielleicht Arbeitshilfen? – da ist nullbarriere.de ein guter Anfang. Das ist eine super Internetseite, auf der man kostenlos Zugang und Einstieg in solche Fragen bekommt.

Ein konkreteres Beispiel wäre die Frage nach der Barrierefreiheit von Gebäuden. Da stellen sich ja unterschiedliche Fragen: Reduziere ich vorhandene Barrieren? Baue ich gleich ganz neu? Oder kann ich vielleicht anders Einfluss nehmen auf wesentliche Aspekte? Je nachdem, was zutrifft, ist das Vorgehen verschieden.

Bei einem Neubau könnte man z.B. ganz einfach sagen, dass man überall 1 Meter breite Türen einbaut und immer da, wo der Türgriff ist, ein bisschen Platz zur Wand lässt. Dort sollte man auch darauf achten, dass der Belag möglichst eben und nicht zu kontrastreich ist und alles gut ausgeleuchtet wird, sowohl im Gebäude als auch auf dem Weg dahin. Wenn man dann noch darauf achtet, dass man nicht so dünne Flure baut oder alles mit Teppichen vollmacht, sind das Räume, die für viele Rollstuhlfahrer*innen gut benutzbar sein könnten und eigentlich nicht viel Mehraufwand machen – und ganz ehrlich, über eine meterbreite Tür freut sich auch jemand, der mal etwas Schweres, Unhandliches trägt, wenn er nicht immer an den Türrahmen stößt.

In einem Bestandsgebäude dagegen kann es vergleichsweise schwierig werden, wenn es um so etwas geht wie den Einbau von Küchen oder Sanitärobjekten. Da würde ich ganz stumpf die Firma fragen, die mir die Küche plant. Die sind da üblicherweise auch sensibilisiert, haben in der Regel zumindest schon einmal davon gehört und können beraten, was möglich ist und was nicht – da geht es um Dinge wie zum Beispiel die Unterfahrbarkeit von Schränken und ähnlichen Spezialanfertigungen. Wenn man sich bei Sitzhöhen nochmal schlau machen will, kann man entweder in die Checkliste gucken, die ich erstellt habe, oder einfach auf der Seite nullbarriere.de. Da gibts auch Tipps, auf welchen Höhen z.B. ein Sitzmöbel idealerweise sein sollte, damit ein*e Rollstuhlfahrer*in sich aus dem Rollstuhl selbstständig auf einen Stuhl oder einen Sessel setzen kann. Sanitärgeschäfte haben üblicherweise auch eine Ahnung davon, was klassische Sitzhöhen sind und welche Möglichkeiten es gibt, ob das verstellbare WCs sind und so weiter. Es ist eben ein sehr breites Feld.

Ansonsten: Wenn man ein Haus neu plant, würde ich eine*n Architekt*in meines Vertrauens nehmen. Idealerweise ist das jemand, der sich schonmal mit dem Thema in irgendeiner Weise befasst hat; vielleicht schon mal für ältere Menschen oder ein Krankenhaus gebaut hat zum Beispiel. Da gibt’s 100.000 Varianten, wie man damit Berührungspunkte haben kann, und die eine*n Planer*in bewegen sollten, euch gut zu beraten. Und abschließend noch einmal die Empfehlung: nullbarriere.de für alle die, die es selbst machen wollen. Also dann: viel Spaß!

Danke für das Gespräch, Karin!

Die Checkliste über Barrieren im Hundetraining berücksichtigt viele der von Karin genannten baulichen und topografischen Aspekte, geht aber noch darüber hinaus. Barrieren gibt es nicht nur für Menschen mit körperlichen Einschränkungen oder Behinderungen. So sind zum Beispiel Menschen, die Gewalterfahrungen gemacht haben, vielleicht für ihr Wohlbefinden darauf angewiesen, dass der Weg zu Deinem Hundeplatz gut und sicher ausgeleuchtet ist. Jemand, der kein Auto hat, braucht eine gute Anbindung durch den öffentlichen Personennahverkehr. Und auch ganz banal das Alter kann Hürden entstehen lassen. Für diese und weitere Personengruppen sind in der Checkliste mögliche Barrieren aufgeführt. Du kannst sie “in die Hand nehmen” und ganz einfach Deine Trainingsorte oder -umgebungen darauf prüfen. Wir freuen uns über Feedback, wenn z.B. etwas fehlt oder missverständlich formuliert ist. Schreibe uns gerne eine Mail an vielfalt@kynologisch.net!

Lizensierung der Checkliste: KynoLogisch Vielfaltsprojekt, Karin Giessler, CC BY-SA 3.0 DE

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