Aktionstage Nachhaltigkeit: Mobilität mit Hund

Wie ist das eigentlich mit dem/n Hund(-en) Bahn zu fahren, dem als am nachhaltigsten angepriesenen Langstrecken-Fortbewegungsmittel?

von Karen Körtge

Ich bin Karen und Mitgesellschafterin von KynoLogisch. Im Rahmen der Deutschen Aktionstage Nachhaltigkeit 2021 spreche ich darüber, wie es ist, mit meinen Hunden quer durch Deutschland, u.a. zu KynoLogisch-Seminaren, mit der Bahn zu fahren, aber auch über meine Erfahrungen anderswo in Europa. Mobilität ist ein entscheidender Faktor, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht.

Ich bin schon früher mit meinem ersten Hund, meinem Altrüden Fredzel, mit der Bahn gefahren und fahre seit fünf Jahren regelmäßig quer durch Deutschland. Meist mit ein bis zwei Hunden, um Seminare zu besuchen oder selbst Seminare im Rahmen der Ausbildungen bei KynoLogisch zu geben.

Warum Karen Autofahren aufgegeben hat

Natürlich bin ich früher immer mit dem Auto gefahren. Wir waren und sind ja quasi deutschlandweit unterwegs, ich gebe mehrfach Seminare im Jahr und da kommen ganz schön viele Kilometer zusammen. Am Autofahren haben mich immer zwei Dinge gestört:

Erstens finde ich es ziemlich umweltunverträglich, alleine so mit den Hunden im Auto zu sitzen, um von A nach B zu kommen. Ohne eine Notwendigkeit, außer dass es bequem ist und man direkt sein Ziel erreicht. Es ist mir im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden, mich damit auseinanderzusetzen, wie man möglichst umweltverträglich von A nach B kommt. Alles andere ist einfach nicht nachhaltig und das hat mich belastet. Der zweite Grund ist vielleicht persönlicher und klingt darum womöglich ein bisschen banal, aber: ich finde Autofahren extrem langweilig!

Man fährt irgendwie ewig geradeaus, dann ist man müde. Man muss manchmal auf einem Autobahnparkplatz übernachten. Man schafft nichts – kein Lesen, kein Schreiben, einfach nichts. Vielleicht kann man telefonieren, mit irgendwem, wenn jemand Lust und Nerven hat, das bei Motorenlärm und plötzlichen Funklöchern durchzuziehen. Das ist so unglaublich verschwendete Lebenszeit für mich. Aus diesen zwei Gründen bin ich deswegen nach einigen Jahren wieder auf die Bahn umgestiegen, auch als ich eine Hundekonstellation mein Eigen nennen konnte, die bahnfahrkompatibel ist.

Mensch-Hund-Hund-Rucksack

Ich reise in der Regel mit einer Deutschen Schäferhündin, Rala, und einem kleinen Dackel-Mix, Niemand [Anm. d. Red.: Ja, der heißt wirklich so.], oder einem Dackel namens Theo. Dackel fahren in einer geeigneten Transporttasche als Handgepäck umsonst, aber für den großen Hund ziehe ich eine Fahrkarte.

Die Schäferhündin führe ich an der Leine mit Halsband und in der Bahn trägt sie einen leichten Plastik-Windhundmaulkorb, mit dem sie sehr entspannt ist und auch sehr bequem schlafen kann.

Mein Dackelmix ist der, der meistens ebenfalls mitreist. Ich habe zwei Dackel, aber ich nehme immer nur einen mit, weil zwei Transporttaschen zu unhandlich wären und außerdem muss ja irgendwer zu Hause auf den Rest der Familie aufpassen. 😉

Niemand ist ebenfalls angeleint [Anm. d. Red.: Na? Jetzt versteht Ihr den Namen, oder?]. In seiner Transporttasche ist eine kleine Decke drin und es gibt eine wichtige Regel, die ich ihm beigebracht habe: „Wer im Zug sitzt, darf nicht aus dieser Tasche steigen.“ Niemand hat das von Welpe an kennengelernt und schläft einfach ganz entspannt, wenn wir eingestiegen sind. In seinem ersten Jahr hat er über 5000 km mit der Bahn zurückgelegt!

Was nehme ich also alles mit, wenn ich mit der Bahn fahre? Ich nutze einen Trekkingrucksack, darin sind Materialien für‘s Seminar, Schlafsachen, Anziehsachen, Regensachen, Zahnbürste… was man so braucht, wenn man auf Hundeseminaren unterwegs ist. Wie sieht das also aus, wenn wir mit der Bahn fahren? Am Bahnsteig laufen beide Hunde angeleint neben mir, ich habe den Rucksack auf dem Rücken und die Transporttasche für Niemand in der anderen Hand.

Das Ein- und Aussteigen – die eigentliche Hürde

Meine Erfahrung mit dem Bahnfahren ist im Großen und Ganzen eine sehr positive! Die Hunde kennen sich aus und sie wissen inzwischen, wie Ein- und Aussteigen funktioniert. Vor ein paar Jahren war das noch anspruchsvoller, als mehr von diesen alten Regionalbahnen unterwegs waren. Mit den großen und sehr hohen Stufen am Eingang zum Wagon musste man schon als Mensch immer fast klettern und selbst ein Schäferhund setzt dann zu einem mutigen Sprung an. Trotzdem musste ich sie hin und wieder ein bisschen hineinhieven, weil sie diese Hürde doch zu gruselig fand. Heute sind eigentlich alle Züge, die wir nutzen, mit einem fast ebenerdigen Einstieg ausgestattet, so dass ich gut mit zwei Hunden ein- und aussteigen kann.

Und der Dackel? Wenn wir am Bahnsteig sind und der Zug bald kommt, muss der kleine Dackel „einsteigen“. Das heißt, er geht in die Tasche, damit ich ihn in den Zug tragen kann – Stufen und Abstände zum Bahngleis sind nicht ohne und ich möchte nichts riskieren, Im Zug platziere ich ihn mitsamt seiner Transporttasche zwischen den Sitzen und parke dann den Schäferhund davor ein.

Die Herausforderungen und Nervsachen

Was sind die Herausforderungen, wenn man mit zwei Hunden mit der Bahn unterwegs ist? Es gibt auch viele schöne Erfahrungen, die man in Zügen macht: Nette Schaffner*innen, Menschen, die ihre Hunde- und Lebensgeschichten erzählen und Kinder, die sehr feinfühlig und glücklich den Schäferhund streicheln. Und es gibt die Herausforderungen.

Herausforderung Nr. 1: Das Ticket

Die erste Herausforderung, die mich jedes Mal wirklich krass nervt, ist der Ticketkauf. Ich habe eine Bahncard 25. Der Schäferhund hat keine Bahncard, weil er keine Person ist.

Und diese Tatsache, dass der Schäferhund keine Person ist, ist bei der Deutschen Bahn echt anstrengend. Ich kaufe meine Tickets über die Deutsche Bahn App. Das geht komfortabel, die App ist richtig gut und durchdacht. Ich kann früh und völlig unproblematisch buchen, meine Bahncard 25 wird gleich angerechnet. Ich reise in der Regel 2. Klasse und kaufe so ein Super-Sparpreis-Ticket, was zuggebunden ist. Das Ticket für den Schäferhund kann ich aber nicht über die App kaufen, sondern muss am Bahnsteig oder am Schalter direkt gekauft werden. Alternativ könnte ich ihr Ticket online kaufen und mir zuschicken lassen, aber das ist mir zu unflexibel, wenn man nicht immer weiß, welchen Hund man mitnimmt.

Am Schalter kaufen fällt aus, weil ich auf dem Dorf wohne, da müsste ich extra in die nächste Stadt fahren. Also muss ich zum Automaten gehen, da darauf achten, dass ich die gleiche Zugverbindung treffe, die ich auch für mein Ticket ausgewählt habe und dann kaufe ich auch für den Schäferhund in der Regel ein Sparpreis-Ticket. Es sei denn – und das hatte ich letztens – es geht etwas schief. Ich bin von Hannover aus nach Brandenburg gefahren. Ich habe eine Woche zwischen dem Kauf meines Super-Spar-Tickets gebraucht und dem Ticket für den Schäferhund. Und dann gab es am Automaten nur noch Flex-Tickets. Das heißt, ich reiste für 70 Euro und der Schäferhund hatte ein Flex-Ticket für 90 Euro!

Es ist okay, wenn man eine Gebühr bezahlt – der Hund verschmutzt ja auch den Zug. Möglicherweise möchte die Bahn damit auch die Anzahl der Hunde in Zügen ein wenig begrenzen, damit es keine Beschwerden gibt. Ich weiss es nicht. Aber dann könnte man Hunde doch einfach mit einer Nutzungsgebühr auf mein Ticket über die App abbuchen lassen und nicht so einen unübersichtliches Rechenaufgabenchaos mit unangenehmen Hürden bei der Buchung produzieren, das mich jedes Mal Zeit und Nerven und manchmal viel Geld kostet.

Herausforderung Nr. 2: Platzmangel – Oder: Warum der Maulkorb eine sinnvolle Vorgabe ist

Rala trägt, wie gesagt, nach den Beförderungsbestimmungen einen Plastikmaulkorb. Ich finde es auch vollkommen in Ordnung, auch wenn der Hund total nett und menschenfreundlich ist. Manche Menschen wissen einfach nicht, wie man mit großen Hunden umgeht. Kritische Situationen entstehen unvorhersehbar, sei es, dass mal wer auf die Rute des Hundes tritt oder auf die Pfote, weil ich nicht aufgepasst habe und Rala sich beim Schlafen unter dem Sitz breit gemacht hat. Einmal war ich auch auf Toilette und hatte sie am Platz angebunden. Als ich zurückkam, saß ein kleines Kind bei dem Schäferhund, es war vielleicht zwei Jahre alt. Natürlich ist nichts passiert, aber trotzdem… Mein Tipp ist also: Ein Maulkorb beim Bahnfahren ist echt sinnvoll. Der Hund sollte daran einfach gewöhnt sein.

Herausforderung Nr. 3: Ländliche Region, längliche Reise

Ich weiß nicht, wer die Deutsche Bahn im Reiseverkehr nutzt und vom Dorf kommt wie ich… da muss man dann manchmal um drei Uhr morgens los, damit man um 9 Uhr irgendwo zu einem Termin pünktlich vor Ort sein kann – oder man muss umziehen. Eine andere Lösung gibt es hier bei mir nicht und das finde ich ärgerlich.

Hier kommt ein weiterer Tipp aus meinem Erfahrungsschatz und weil Reisen vom Dorf aus manchmal echt lange dauern: Ich habe irgendwann einmal nicht richtig darauf geachtet, ob sich mein Hund auch wirklich gelöst hat. Als Konsequenz habe ich dann drei Stunden auf einer Zugtoilette verbracht, weil ich Angst hatte, dass der Hund während der Fahrt explodiert. Meine Hoffnung war, dass ich die befürchtete Schweinerei dort dann im schlimmsten Fall eher sauber machen kann und es sich nicht überall in der Bahn verteilt. Passiert ist auch hier natürlich nichts, aber das war wirklich keine angenehme Zugfahrt. Also: Vernünftig Gassi gehen vorher!

Bei wirklich langen Bahnfahrten plane ich außerdem immer mit längeren Umsteigezeiten und schaue mir die Bahnhöfe auf Google Maps in der Satellitenansicht an, um Pinkelstellen vorab ausfindig zu machen und so noch mal Zeit zu sparen.

​Mit Rala bin ich einmal 34 Stunden nach Schweden unterwegs gewesen und sie hat nicht ein einziges Mal gepinkelt, weil sie das im Alltag an der Leine und auf Asphalt bei mir Zuhause nicht darf. So lange Reisen sind auch für mich nicht üblich und man kann Hunde auch vielleicht nicht auf alles perfekt vorbereiten.

In Schweden bin ich schon viel mit dem Zug gefahren, weil ich da mit den Hunden im Urlaub unglaublich gerne wandern gehe. Dort ist das Bahnfahren sehr elegant gelöst: Man steigt mit den Hunden im allerletzten Abteil ein – da ist das Haustierabteil. Je nach Zuggesellschaft zahlt man für den Hund, aber meistens zahlt man nichts. Alle Leute, die keine Lust auf Haustiere haben, meiden einfach diesen letzten Waggon. Im Waggon selbst hat dann so ein fröhliches Potpourri aus Hunden, Katzen, Kanarienvögeln und Meerschweinchen, die sich alle diesen Waggon mit ihren Menschen teilen. In diesem Abteil hat man eher die Chance, Rücksicht auf seine Mitreisenden zu nehmen, weil sie zumindest wissen, dass es in diesem Waggon Haustiere gibt. Das habe ich nicht, wenn ich eingequetscht in irgendeinem Waggon im ICE stehe und jemand Angst vor dem Hund hat. Das einzige, was ich dann machen kann, ist meinen Hund zu sichern, um dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, vielleicht ein bisschen entspannter zu sein.

Verbesserungsvorschläge – dringend!

Ich würde total gerne einfacher an das Ticket für den Hund kommen und auch irgendwie das Ticket mit auf meine Bahncard nehmen können – oder wenigstens über die App steuern können. Dann würde ich auch eine Bahncard 50 kaufen.

Was ich mir wirklich wünschen würde für das Bahnfahren mit Hund, ist ein Waggon, den Menschen meiden können, wenn sie keinen Kontakt mit Hunden haben möchten – also so eine Lösung wie in Schweden.

Das einzige, was mich bei der nachhaltigeren Mobilität manchmal noch einschränkt, ist, dass Hundeplätze normalerweise abseits der Infrastruktur liegen und am Zielbahnhof dann nicht immer klar ist, wie man weiterkommt. Es benötigt – genau wie bei mir auf dem Dorf – ein feiner verzweigtes Netz an Mobilitätsangeboten, um wirklich bis ans Ziel zu kommen.

Karens Fazit

Es ist durchaus möglich, ohne Auto mit Hund mobil zu sein. Ich besitze allerdings ein Auto und kann immer eine Entscheidung treffen, wenn der Anreiseaufwand zu hoch und zu stressig ist. Das ist also eine ziemlich privilegierte Situation, in der ich mich befinde: Mir steht es frei und ich möchte pro Klimaschutz und pro eigene produktive Arbeitszeit auf das Auto verzichten und auf die Bahn umsteigen, auch mit Hund.

Karens Tipps für‘s Bahnfahren oder was Deine Hunde vorher können sollte(n):

  • Hund sollte leer sein – auch wenn Du dafür eine Stunde früher aufstehen musst
  • Maulkorb-Gewöhnung
  • sich schnell hochheben und anfassen lassen (der Hund!)
  • Ein- und Aussteigen auf Kommando unter schwierigen Bedingungen
  • sich bedrängen lassen, enge Situationen mit Menschen aushalten
  • angebunden an einem fremden Ort alleine bleiben und Ruhe bewahren
  • Deckentraining kann Stress reduzieren
  • jede Form von Frustrationstoleranz

Anmerkung der Redaktion

Gemeinsam ist vieles besser. Bahnfahren, mit oder ohne Hund, ist entspannter, wenn man nicht alleine unterwegs ist, gegeben Menschen und Hunde vertragen sich. 😉 Gepäck und Hunde bleiben nicht unbeaufsichtigt, wenn man Kaffee holen oder wegbringen muss, vier Augen sehen mehr als zwei und wenn der Anschlusszug auf sich warten lässt, kann man sich im Kollektiv beschweren, frei nach dem Motto „Geteiltes Leid ist halbes Leid“.

Auch mit dem Auto gilt: „Besser gemeinsam statt einsam“. Je mehr Menschen eine Autofahrt zusammen bestreiten, desto kleiner wird der CO2-Verbrauch pro Strecke und pro Kopf. Vielleicht findet sich für Dein nächstes Seminar eine Fahrgemeinschaft? Und vielleicht entstehen dabei auch ganz neue (Hunde)Freundschaften!

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