Summer School 2023: Ein Interview mit der Dozentin Ines Neuhof

Von: Malin Schneider & Jennifer Rotter

Veröffentlicht am: 3. Juli 2023

Für alle diejenigen unter euch, die es noch nicht mitbekommen haben: Wir haben dieses Jahr die Summer School mit Dr. Ines Neuhof ins Leben gerufen. Eine Workshopreihe, die online stattfindet und sich ganz dem Thema Mensch und Beratung im Hundetraining verschrieben hat. Damit ihr einen Einblick bekommt, wie wir darauf gekommen sind und was Ines an diesem Themenschwerpunkt besonders am Herzen liegt, hat Malin folgendes Interview mit ihr geführt.  

Hi Ines, sollen wir einfach direkt ins Thema eintauchen, was meinst du?

Hallo Malin, klar, wir können direkt ans Eingemachte gehen. 

Sehr schön! Magst du einmal erzählen, wie du auf das Thema gekommen bist, als wir in der Entwicklung für ein KynoLogisch Sommer Special waren? 

Ich arbeite seit vielen Jahren professionell mit Hunden und ihren Menschen, ob das in der Vermittlung und Beratung im Tierheim ist, in meinem privaten Business als Hundetrainerin oder als Dozent*in. Der beratende Teil, bzw. der ganze Teil, der neben dem Wissen um Hundetraining an sich gebraucht wird innerhalb dieser Berufsbilder, ist häufig unterrepräsentiert für meinen Geschmack. 

Woran denkst Du da zum Beispiel konkret?

Ich persönlich denke, dass die Themen Supervision und Selbstfürsorge zwar in sozialen Berufen durchaus ihren Platz finden, im Hundetraining aber noch ein stiefkindliches Dasein fristen.

Gerade wenn man als Hundetrainer*in alleine arbeitet und nicht über die eigenen Fälle sprechen kann, hilft der Austausch einfach enorm. Kolleg*innen in der Umgebung werden vielleicht als Konkurrenz empfunden, mit denen möchte man nicht über sensible Inhalte sprechen und sich öffnen. Der oder die Partner*in hört zwar zu, ist aber vielleicht fachlich nicht kompetent und das System Partnerschaft ist auch nicht immer geeignet, über Arbeitsprobleme zu reden.

Die sogenannte Psychohygiene – über gemeinsames Schimpfen bis hin zu fachlichem Rat, da kann ein Austausch neue Perspektiven aufzeigen. Und so wird es in der Summer School eben um Selbstreflektion, Abgrenzung, Perspektivwechsel und Arbeit an sich selbst gehen.

Dabei kann der Austausch enorm wichtig sein, nicht zuletzt für die eigene Gesundheit – gerade wenn man als Hundetrainer*in alleine arbeitet, was noch immer häufig der Fall ist, Wir tragen eine große Verantwortung in diesem Arbeitsumfeld und ein zweiter Blick auf eine Situation kann Gold wert sein. Natürlich besteht die Möglichkeit des Austausches mit Freund*innen und Familie, aber ein Schreiner wird auch eher einen anderen Schreiner fragen, was er von seiner Arbeit hält, als seinen besten Freund, der einfach kein vergleichbares Knowhow mitbringt. 

Und es kann unter Hundetrainer*innen auch schlicht mal schön sein, sich einfach über Kund*innen und z.B. deren Erfolge auszutauschen, zu reflektieren, was im letzten Workshop so mistig gelaufen ist und was sich da ändern lässt und so weiter.

Und das wird sich in der Summer School wiederfinden? 

Ja klar, wir werden u.a. über Psychohygiene sprechen, Selbstreflektion, Abgrenzung, Perspektivwechsel, im Grunde Arbeit an sich selbst. 

Das klingt spannend. Kannst du mir ein Beispiel nennen, worum es weiter noch konkret gehen wird? 

Es wird sehr umfangreich werden, deswegen auch die verschiedenen Module. Vor allem werden wir erstmal die vielen kleinen Trigger benennen, die Telefonate, die kein Ende finden und vielleicht auch nicht bezahlt werden, die mehrdeutigen Beratungsaufträge im Sinne von „können Sie das mal bitte meinem Mann erklären“, die emotionalen Themen, die nicht selten ihre Wege ins Hundetraining finden, bis hin zu Anfeindungen, in Frage stellen der eigenen Kompetenzen und den Umgang mit der eigenen Autorität. 

Kannst Du uns ein konkretes Fallbeispiel nennen? 

Im Tierheim begegnet mir recht häufig der Satz „Sie wollen doch eigentlich überhaupt nicht vermitteln!“ Das ist natürlich Unsinn, wir wollen grundsätzlich vermitteln, gleichzeitig müssen wir als Vermittelnde uns unserer Verantwortung bewusst sein und schätzen Situationen möglichst mit Weitsicht und gesundem Realismus ein. Ein junger Schäferhundrüde muss nicht zwingend bei einer älteren Dame im Mehrfamilienhaus leben. Dennoch kann eine solche „Bemerkung“, die je nach Tonalität durchaus als unverschämt wahrgenommen werden kann, einen Triggermoment in mir oder Kolleg*innen auslösen. Den Umgang mit exakt solchen Momenten, den beleuchten wir zum Beispiel in der Summer School und schauen uns genau an, wie ich mich verhalten kann, wie ich mich vielleicht innerlich darauf vorbereiten kann und wie mein eigener Umgang mit der Situation aussehen könnte. 

Was sind deine eigenen persönlichen Trigger in der Beratung und wie gehst du damit um? Kannst du uns ein Beispiel nennen?

Ich merke, dass mit zunehmendem Stresslevel (im Sinne von Aufgabenfülle) meine Geduld nachlässt, als nervig empfundene Gespräche auszuhalten. Ich sage bewusst aushalten, weil wir uns bewusst machen müssen, dass das eine Leistung ist und dazu eine schwierige.

So abgedroschen es klingen mag, mir hilft dann ungemein räumlicher und zeitlicher Abstand und vielleicht auch mal einen Tag Auszeit nehmen, wandern gehen oder ein Konzert hören (bei mir war es zuletzt Depeche Mode). Der neue Input lässt die stressigen Themen dann tatsächlich aus einem anderen Blickwinkel sehen. Das bedarf schon auch einem klaren aktiven Vorgehen, sich frei zu nehmen, die Sauna, eine Wanderung oder eben ein Konzert zu organisieren usw.

Oder eben solche Triggersätze wie der von oben „Sie wollen gar nicht vermitteln“: Ich versuche dann bestmöglich die Sichtweise des- oder derjenigen einzunehmen und sehe mich in einer Rolle. Die Aussagen gehen dann nicht gegen mich als Person, sondern gegen meine Rolle. Das ist schon schwer zu trennen, insbesondere dann, wenn es mein eigenes kleines Unternehmen ist. Diese Metaebene, dass man aus der Vogelperspektive von oben auf das Geschehen schaut, hilft etwas, eine neutralere Sicht auf die Dinge zu haben.

Und vielleicht noch als letztes Beispiel: Ich merke in den Gesprächen zu den Gutachten, dass Menschen vor mir Angst haben. Es geht immerhin um einen Wesenstest und damit um eine folgenschwere Einschätzung. Das ist schon ein recht spezielles Gefühl. An der Stelle versuche ich neben viel Aufklärung insbesondere auf meine gutachterliche Neutralität hinzuweisen und hab‘ einen besonderen Fokus darauf, was ich sage und wie ich es sage.

 Wobei es da ja jetzt nicht um Hundetraining geht – was bringt mir das denn? 

Ganz konkret bekommst du im Verlauf der Summer School einen Werkzeugkoffer, der dir deinen beruflichen Alltag erleichtern wird, weil du danach weißt, wo deine Schwachstellen in der Beratung liegen und wie du besser mit ihnen umgehen oder sie sogar verändern kannst. Das bringt enorme Vorteile nicht nur für dein Arbeitsleben, sondern auch für deine Freizeit. Wenn ich eine innere Klarheit zu bestimmtem Konfliktpotential habe und das gleichsam klar nach außen kommunizieren kann, werde ich vermutlich sehr viel gelassener durchs Leben gehen und deutlich einfacher loslassen, sobald der letzte Termin am Tag vorbei ist. Gehen wir kurz zurück zum Beispiel, wenn ich für mich weiß, wie und wann und an wen ich mit gutem Gefühl vermitteln kann und wie meine Standards in dieser Hinsicht definiert sind, dann kann mich ein anfeindender Satz nicht mehr oder zumindest nicht mehr so deutlich treffen. Diese Klarheit wollen wir unter anderem, neben vielen anderen Schwerpunkten, gemeinsam herausarbeiten. 

Mit welchem Werkzeugkoffer gehen die Teilnehmenden im Idealfall nach der Summer School nach Hause?

Es wird viel um Hilfe zur Selbsthilfe gehen. Die Teilnehmenden werden aktiv an sich arbeiten und sich austauschen. Im Idealfall geben die neuen Sichtweisen wieder Kraft, sich gelassener ins Geschehen zu stürzen.

Einiges wurde ja schon erwähnt. Wir werden besprechen, wie ich Perspektivwechsel hinbekomme, besagte Metaebene (Vogelperspektive) einnehme.

Zudem geht es auch darum, zu sehen, dass andere ähnliche Probleme haben und dass es nicht „an mir liegt“. Wir werden besprechen, welche Fälle vielleicht auch zu weit gehen, wo man sich durchaus auch abgrenzen darf und muss.
Wir werden die Rolle von Hundetrainer*innen besprechen, wie wirken wir auf andere und machen uns bewusst, wie Sprache wirken kann.

Im Idealfall erlernen die Teilnehmenden mit diesen Techniken, wie sie langfristig berufsfähig bleiben und auch wieder gerne in Beratungsgespräche gehen  – Wie ein Resetknopf, der aber nicht auf Werkseinstellungen zurücksetzt, sondern eher ein Update auf eine neue Version mit neuen Features ist. ?